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Mit Kneipp zu mehr Lebensqualität

Claudia Collet leitet das Emmaus-Seniorenheim im badischen Friesenheim. 2012 hat sie die Einrichtung naturheilkundlich nach den Richtlinien von Sebastian Kneipp ausgerichtet. Wir hatten die Möglichkeit, ihr ein paar Fragen zu stellen.

Wie kam es zu dieser Orientierung an den Kneippschen Richtlinien? 

 

Ich erlebte immer wieder die Situation, dass ein an Demenz erkrankter Mensch zu uns ins Heim gebracht wurde und die Angehörigen sagten, er sei austherapiert. Damit war ich sehr unzufrieden.
Hier im Ort gibt es jemanden, der sich sehr gut mit Kräutern auskennt. Durch ihn kamen wir auf die Idee, Heilpflanzen anzubauen. Gemeinsam überlegten wir: Was pflanzen wir an? Was hilft? Was nutzen wir in der Küche? Woraus können wir Tee machen? Was können wir trocknen? Woraus machen wir kleine Kräutersäckchen? Was nehmen wir für Aufgüsse? Die Frau unseres ehemaligen Bürgermeisters ist ebenfalls sehr firm in der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde). Sie ist jetzt die Patin unserer Heilkräuterbeete und berät uns auch.

Die Kräuterheilkunde ist die zweite Säule aus Kneipps 5-Säulen-Philosophie.

 

 

Bei Kneipp denkt man zuerst daran, wie der Storch im Salat durch kaltes Wasser zu treten

 

Das ist aber nur eine von etwa 150 Wasseranwendungen. Die Kneippsche 5-Säulen-Philosophie umfasst weit mehr als das Wassertreten.
Die erste Säule ist die Lebensordnung. Damit ist gemeint, von der Hektik des Alltags wieder zur Ruhe und ins Gleichgewicht zu kommen. Es sind aber auch die Rituale, jahreszeitliche Feste, Gottesdienste im Haus und Andachten, die wir im Haus feiern und die das Leben der Bewohner strukturieren.

Nach der Kräuterkunde folgt die dritte Säule, die gesunde Ernährung. Für uns heißt das, regionales und saisonales Essen anzubieten. Wir versuchen dabei, auf die Wünsche der Bewohner einzugehen. Gutes Essen ist bei uns sehr wichtig, denn unsere Bewohner gehören zu einer Generation, die noch richtig gut gegessen und gekocht hat.

Die vierte Säule ist die Bewegung und die fünfte die Hydrotherapie (Wassertherapie). Bei uns kann man Innen und Außen kneippen, wir haben eine Wassertretanlage, Möglichkeiten für Güsse oder einen mobilen Barfußparcours, den wir auch im Haus nützen können. Damit haben wir ganz tolle Erfolge erzielt. Die Menschen steckt man ja schon im Kindergarten in Hausschuhe. Beim Barfußlaufen spüren die Bewohner wieder so eine Erdung und haben einen sicheren Fuß. Licht und Luft kommen an die Haut und nicht zuletzt sind sie einmal diese unangenehmen Kompressionsstrümpfe los.

 

 

Sind die Kneippschen Anwendungen für jeden geeignet?

 

Ja, wenn man gewisse Regeln beachtet. Nicht kalt auf kalt etwa. Wir haben Bewohner mit 30, 35 Kilos, ganz schmale Personen, denen es immer kalt ist. Da wäre ein kalter Guss unpassend. Aber man kann Wechselbäder machen, bei denen der Körper vor einem Guss zunächst etwas erwärmt wird. Die Kneippsche Philosophie besagt, milde Reize zu setzen. Es sind oft so kleine Dinge, die wir bewusst machen und mit viel Ruhe erklären.

Bei Kneipp hat man sehr viele Möglichkeiten, um zu variieren und für jeden Bewohner die passende Anwendung zu finden. Der eine hat gern ätherische Öle, der bekommt dann eine Bürstenmassage und danach ein körperpflegendes Rosenöl, der andere ist viel draußen, der nächste trinkt gern Kräutertee – und so findet man bei diesen fünf Säulen für jeden Bewohner etwas.
Und es kostet nichts. Kneipp steht nun einmal für Mäßigkeit und Einfachheit. Eine Gießkanne oder ein alter Gartenschlauch genügen oder ein alter Bottich, in den man die Füße stellen kann.

 

 

Lassen sich dabei Erfolge nachweisen?

 

Die Charité in Berlin hat vor einiger Zeit die Naturheilkunde in der Altenpflege untersucht, wobei es nicht sehr viele Häuser gibt, die danach ausgerichtet sind. Dabei kam heraus, dass die Bewohner dieser Häuser wesentlich weniger erkältet sind. Kneipp arbeitete ja mit Reizen – kaltem Wasser, Luft, Licht – das schafft einfach eine gute Abhärtung. Sie haben oft ein besseres Durchschlafverhalten und auch im Bereich der Obstipation (Verstopfung), wovon sehr viele ältere Bewohner betroffen sind, konnten gute Erfolge mit Leibwaschungen, Auflagen und Ölen erzielt werden. 

Ich selbst leide an Migräne. Seit 2012 bin ich Kneippianerin und brauche kaum noch Schmerzmittel dank der Kneipp-Anwendungen, die ich für mich gefunden habe.

 

 

Was bedeutet das für die Mitarbeiter einer solchen Einrichtung? 

 

Die Studie der Charité hat ergeben, dass es eine höhere Zufriedenheit bei den Mitarbeitern gibt. Jede Kneipp-Anwendung ist eine liebevolle Zuwendung hin zum Bewohner. Zum Vergleich: Wenn jemand Kopfschmerzen hat, kann man ihm ein Glas Wasser und eine Tablette geben. Womöglich hat der Bewohner noch Schluckbeschwerden. Dann hat er eine halbe Stunde zu tun bis er die Tablette runtergeschluckt hat. Danach bekommt er möglicherweise noch Magenschmerzen.  Sie können aber auch ein Armbad oder einen Knieguss machen, je nach Kopfschmerzart. Das ist für den Mitarbeiter einfach eine schönere Anwendung. Die Mitarbeiter sind zufriedener und der Krankenstand ging runter. Es ist eine besondere Art mit den Bewohnern umzugehen und das bekommen wir auch zurückgespiegelt.

Mir liegt es sehr am Herzen, Menschen helfen zu können. Ich bin von Beruf eigentlich Juristin und kam über 1000 Querwege in die Altenpflege. Hier habe ich das Gefühl, dass ich etwas verändern kann. Mir ist daran gelegen, dass es den Menschen im Haus richtig gut geht und sie sich wohlfühlen. Sie sollen hier nicht nur aufgehoben sein bis zu ihrem Todestag, sondern noch ein lebenwertes Leben führen, hier eine Heimat haben und fröhlich sein können.

 

 

Wie kamen Sie zum Grünen Haken? 

 

2008/2009 hatte ich eine 150-Betten-Einrichtung in Berlin-Köpenick geleitet. Der Grüne Haken fing damals gerade an. Wir waren eine der zehn ersten Einrichtungen, die dabei waren. 2009 zurück im Badischen wollte ich sofort wieder den Grünen Haken, weil es doch eine Selbstverständlichkeit ist, dass man verbraucherfreundlich ist. Und ebenso die Bereiche – Teilhabe am Leben, Menschenwürde, selbstbestimmtes Leben und all das – das ist für mich absolut selbstverständlich.

Wenn wir das schon leben und umsetzen, dann möchte ich mir auch die Auszeichnung dafür ans Haus hängen dürfen.

Die Begutachtungen laufen immer sympathisch ab. Ich freue mich über den Erfahrungsaustausch mit den Gutachtern, die viel herumkommen, viel Unterschiedliches sehen und weitergeben. Diese Anregungen nehme ich dann immer gerne auf.

 

Frau Collet, vielen Dank für das Gespräch!

am August 19, 2018 veröffentlicht
HVZ-Redaktion
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